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Uraufführung: KASPAR HÄUSER MEER von Felicia Zeller

Sonntag, 20. Januar 2008, 20.00 Uhr, Theater Freiburg, Kleines Haus

 

Felicia Zeller hat ihr Stück „Kaspar Häuser Meer“ genannt. Die Kaspar Hauser von heute heißen Dennis, Lisa, André, Chantal, Kevin, Lea-Sophie, Jessica oder Celine.

 

 

Ihre Eltern haben sich am Rand unserer Städte und im Dickicht unseres Sozialstaates verheddert, haben den Anschluss verloren und finden keine Perspektive mehr, um mit dem gesellschaftlich vorgegebenen Takt Schritt zu halten. Das müssen die Kinder büßen. Die Nachrichten melden Tag für Tag das Unfassbare dieser Fälle. Und jedes Mal stellt sich reflexhaft die Frage, wer das hätte verhindern können oder müssen. Wo waren die Betreuer, die Sozialarbeiter – wo waren die Zuständigen? Als ob sich Verantwortung so einfach delegieren ließe!

 

Äußerer Anlass für dieses Auftragswerk an die Autorin Felicia Zeller war der „Fall Kevin“, die Geschichte des kleinen Jungen aus Bremen-Gröpelingen, der an den Folgen schwerer Misshandlungen starb und im Oktober 2006 tot im Kühlschrank der elterlichen Wohnung gefunden wurde. Kevin ist leider kein Einzelfall, sondern nur das Beispiel, das in Deutschland die größte mediale Aufmerksamkeit erzeugt hat. Was damit zusammenhängt, dass dieses Kind nicht fern jeder Öffentlichkeit starb. Kevin und seine Familie wurden vom Amt für Soziale Dienste beobachtet, das Bremer Jugendamt hatte die Vormundschaft für ihn übernommen, seit August 2004 (da war er ein halbes Jahr alt) ist ein Verdacht auf Kindesmisshandlung aktenkundig. „Kevin tot zu Haus“, obwohl die zuständigen Helfer von den Betreuern vor Ort bis hinauf zum Bürgermeister mit diesem Fall befasst waren. Wir wollten diesen Zusammenhang genauer in den Blick nehmen.

 

Um sich diesem Thema auf eine dem Theater mögliche Weise anzunähern, hat sich Felicia Zeller auf Recherche in den Alltag deutscher Sozialämter begeben. Sie hat denen, die dort arbeiten, gut zugehört und ihren Wettlauf gegen die Zeit beobachtet. Als Autorin interessiert sie grundsätzlich, wie über Dinge kommuniziert wird, was gesagt und was nicht gesagt wird. Im vorliegenden Stück z.B. hat sie sich für die Fachsprache der Sozialarbeiter interessiert. Dreien von ihnen begegnen wir auf der Bühne. Das ständige Bemühen, der ablaufenden Zeit planerisch nachzujagen, das Hinterherhinken bei gleichzeitigem Bemühen darum, schneller zu sein, prägt ihre berufliche Existenz. So sehen wir ihnen u.a. dabei zu, wie sie unbewusst die Verhaltensweisen ihrer Klienten übernehmen, wie die Absicherungszwänge ihrer Arbeitsabläufe das unausweichliche „zu spät“ erzeugen, vor dem sie sich doch gleichzeitig schützen wollen. Wir beobachten, dass das systematische Delegieren von Verantwortung in verwaltungstechnische Vorgänge strukturelle Überforderungen erzeugt, die die Überforderung jedes Einzelnen in einem anderen Licht erscheinen lässt.

 

Felicia Zeller, geboren 1970 in Stuttgart, arbeitet als Theaterautorin und unter ihrem Künstlernamen Lotio F. als Medienkünstlerin. 1987 Einladung zum Treffen Junger Autoren nach Berlin. 1991 Einladung zum Treffen junger Theaterautoren Interplay nach Australien. Baden-Württembergischer Jugendtheaterautorenpreis 1993 für „immer einen hund gehabt/ plane crazy (1928)“. 1998 Diplom an der Filmakademie Baden-Württemberg. Multimediapreis der Stadt Stuttgart, student award der transmediale Berlin. Gründung des Institut der Ahnungslosen. Arbeitsstipendium für Medienkunst EMARE in Hull, England. 1999/2000: Hausautorin am theater rampe, Stuttgart im Verbund mit dem "author in residence"-Stipendium der Kunststiftung BW. Kolummne ZELLERS SCHÖNES STUTTGARTS in der Stuttgarter Zeitung. Premiere des Internetprojekts "Landessexklinik Baden-Württemberg" im Club Subotnik (Festival Berlin-Beta). 2001 Literaturstipendium der Stiftung Künstlerdorf Schöppingen.

 

Theaterstücke: „Auflauf „(1990), „Meine Mutter war einundsiebzig und die Spätzle waren im Feuer in Haft“ (1992), „immer einen Hund gehabt/ plane crazy (1928)“ (1994), „Im Café Tassl – eine Sprech- und Sprachoperette“ (1999), „Von Heinrich Hödel und seiner nassen Hand“ (1999), „Tot im SuperRiesenaquarium“ (2000), „Bier für Frauen“ (2000), „Club der Enttäuschten“ (2001), „Triumph der Provinz“ (2002).

 

Regie Marcus Lobbes

Bühne und Kostüme Christoph Ernst

Musik Udo Selber

Dramaturgie Josef Mackert

 

Mit:

Bettina Grahs

Britta Hammelstein

Rebecca Klingenberg

 

Weitere Vorstellungen im Januar und Februar 2008:

 

Di 22.01.2008

Mi 23.01.2008

Do 14.02.2008

Do 21.02.2008, jeweils 20.00 Uhr, Kleines Haus

 

Weitere Vorstellungen bis Ende April 2008 sind in Planung.

 

 

 

 

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