Der aus Pforzheim stammende Gelehrte hatte sich zeitlebens für die Erforschung und Lehre der hebräischen Sprache und der Kabbala eingesetzt – mit gravierenden persönlichen und beruflichen Konsequenzen.
Mark Andres Oper knüpft thematisch an das Wirken Reuchlins an und schickt den Gelehrten Johannes auf einen „metaphysischen Roadtrip“ im Hier und Heute. Schauplatz des Geschehens ist der Flughafen Ben Gurion in Tel Aviv. Eine Gruppe Reisender wartet auf die Einreise. Unter ihnen befindet sich Johannes, der sich gegen Ende seines Lebens einen Traum erfüllen und erstmals das Land besuchen möchte, dessen Sprache und Religion er seit vielen Jahren erforscht. Die Überprüfung der Ausweise durch die Grenzbeamten löst in Johannes Reflexionen über seine Identität aus: Seit einer Transplantation schlägt ein fremdes Herz in seiner Brust. Als er kontrolliert wird, weckt er mit seinem Verhalten Verdacht. Er landet auf der Polizeiwache, wo vor ihm bereits Maria verhört wurde. Der Polizist verweigert Johannes die Einreise ins Gelobte Land und entlässt ihn und Maria aus der Polizeiwache. Im Flughafenrestaurant unterhalten sich die beiden. Plötzlich erleidet Johannes einen Herzinfarkt und stirbt. Losgelöst von seinem Körper beobachtet er das Geschehen am Flughafen und denkt über Auferstehung nach. Gerne würde er mit Maria sprechen, doch Maria bittet den Toten, sie nicht anzurühren.
Mark Andres Suche nach einer neuen Form der theatralischen Vokalität überschreitet die Genregrenzen zwischen Schauspiel und Oper. Damit verspricht wunderzaichen sich einzureihen in die besonderen Musiktheaterentwürfe der vergangenen Jahrzehnte, wie sie etwa von Morton Feldman, Luigi Nono oder Mark Andres Lehrer Helmut Lachenmann vorgestellt worden sind. Die Komposition lebt von der Spannung zwischen Klang und Stille, Geräusch und Harmonie, Bewegung und Stasis, Wirklichkeit und Metaphysik. Als Grundlage dienen Mark Andre „akustische Fotografien“, die der Komponist zusammen mit Musikingenieur Joachim Haas und Dramaturg Patrick Hahn 2011 auf einer Reise durch Israel, unter anderem in der Grabeskirche in Jerusalem, aufgenommen hat. Mithilfe der Live-Elektronik macht Andre die Aura dieser Orte musikalisch erfahrbar und wird dadurch auch der Architektur des Stuttgarter Opernhauses neue, unerhörte „Klangzwischenräume“ eröffnen. Die Live-Elektronik wurde in Koproduktion mit dem Experimentalstudio des SWR entwickelt, mit dem Mark Andre seit vielen Jahren zusammenarbeitet.
Bereits im November 2007 hatte Sergio Morabito im Rahmen der Reihe „zeitoper“ unter dem Titel Pilotprojekt Wunderzeichen eine erste Annäherung an die Musik des Komponisten Mark Andre in Verbindung mit Texten von Johannes Reuchlin unternommen. Das Werk wurde in der Stuttgarter Leonhardskirche aufgeführt, wo Reuchlin begraben liegt. Noch heute informiert dort eine Dauerausstellung über sein Leben und Schaffen.
Bei diesem Auftragswerk der Oper Stuttgart widmen sich das Regie-Duo Jossi Wieler und Sergio Morabito und die Bühnen- und Kostümbildnerin Anna Viebrock erstmals gemeinsam einer Opern-Uraufführung. In Generalmusikdirektor Sylvain Cambreling steht ihnen ein ausgewiesener Fachmann für zeitgenössische Musik zur Seite, der in den vergangenen Jahren bereits bedeutende Uraufführungen des deutsch-französischen Komponisten Mark Andre dirigiert hat. Das Experimentalstudio des SWR ist für die Live-Elektronische Realisation verantwortlich.
Die Sprechrolle des Johannes verkörpert der Schauspieler André Jung aus dem Ensemble der Münchner Kammerspiele, der bereits in zahlreichen wegweisenden Schauspielinszenierungen Jossi Wielers mitwirkte. In Stuttgart war er jüngst in der Wieler/Morabito-Inszenierung Ariadne auf Naxos als Haushofmeister zu erleben. In den Gesangspartien kehren Matthias Klink (Polizist, Arzt, Erzengel), Claudia Barainsky (Maria) sowie Maria Theresa Ullrich (2. Beamtin) auf die Stuttgarter Opernbühne zurück. Die junge kroatische Mezzosopranistin Kora Pavelić, Mitglied des Opernstudios 2013/14, übernimmt die Partie der 1. Beamtin.
Das Libretto erarbeitete der Komponist gemeinsam mit Dramaturg Patrick Hahn. Die Produktion steht insgesamt nur fünf Mal auf dem Spielplan der Oper Stuttgart.
Musikalische Leitung: Sylvain Cambreling,
Regie: Jossi Wieler, Sergio Morabito,
Bühne und Kostüme: Anna Viebrock,
Licht: Reinhard Traub,
Live-Elektronische Realisation: Joachim Haas,
Klangregie: Joachim Haas, Michael Acker, Christoph Rensch, Mirella Kern,
Chor: Johannes Knecht,
Dramaturgie: Sergio Morabito, Patrick Hahn
Johannes (Sprechrolle): André Jung, Maria: Claudia Barainsky, Polizist / Arzt / Erzengel: Matthias Klink, 1. Beamtin: Kora Pavelic, 2. Beamtin: Maria Theresa Ullrich, Mit: Experimentalstudio des SWR, Staatsopernchor Stuttgart, Staatsorchester Stuttgart
Auftragswerk der Oper Stuttgart in Koproduktion mit dem Experimentalstudio des SWR
Unterstützt von der Ernst von Siemens-Musikstiftung, dem Goethe-Institut Tel Aviv, dem Wissenschaftskolleg zu Berlin und Stefan von Holtzbrinck
07.03.2014 19:30 Uhr
16.03.2014 19:00 Uhr
22.03.2014 19:00 Uhr
25.03.2014 19:30 Uhr
Eine Einführung zum Stück findet vor jeder Vorstellung jeweils 45 Minuten vor Vorstellungsbeginn im Opernhaus, Foyer I. Rang statt.