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Ballett am Rhein Duisburg: Premiere für b.05

Premiere Freitag, 21. Januar, um 19.30 Uhr

 

Drei wegweisende Arbeiten von Martin Schläpfer und eine Uraufführung von Teresa Rotemberg

Im Programm b.05 versammelt Martin Schläpfer drei seiner wegweisendsten Arbeiten: Mit „Pezzi und Tänze“ leicht dahingeworfene Miniaturen; mit „Ramifications“, einem Solo für die Tänzerin Marlúcia do Amaral, ein faszinierendes Erforschen von Bewegung und Raum zwischen gegensätzlichen Polen; und schließlich in Zusammenarbeit mit dem Kompo­nisten und Performer Paul Pavey das Ballett „3“ – eine „herausragende Choreographie“ urteilte das Magazin „ballettanz“ in seiner Kritikerumfrage. Kontrastierend hierzu eine Uraufführung von Teresa Rotemberg: „Irreversibel“ – eine Arbeit, in der sich die argentinische Choreographin zu Klavier­musiken von John Cage und Herbert Henck mit dem Thema der Verwandlung auseinandersetzt.

 

Das Programm im Einzelnen:

 

Pezzi und Tänze

Martin Schläpfer

Etwas Kleines, Leichtes, nicht aber Unbedeutendes, sondern eher eine Praline“, stellte sich Martin Schläpfer vor, als er 2008 seine „Pezzi und Tänze“ kreierte. Auf flacher Sohle, frei und schwingend in der Körperlichkeit, aber auch bizarr und den Verlust der Kontrolle riskierend entfaltet sich der Tanz über einer Musik, die mit ihrem steten Fluss einer in sich pendelnden, unendlich fortschreibbaren Melodik wie eine rituelle Beschwörungsformel wirkt: die 1956 entstandenen „Tre Pezzi“ für Saxophon des Italieners Giacinto Scelsi (1905–1988). Kontrastierend dazu die Welt, die Franz Schubert mit seinen Walzern aufreißt. Scheinbar leicht dahin geworfene Miniaturen, immer neue, verblüffend einfache Variationen des Dreiertakts, die Martin Schläpfer zu einer Handlungsballett-Miniatur inspirierten - winzige Geschichten über den gemeinsamen Lebenskreis einer Frau und eines Mannes, die auf kleinstem Raum zwischen Melancholie und volkstümlicher Freude ihren wehmütigen Ausgang im Abschied finden, in der für Schubert so typischen Atmosphäre eines „Weltschmerzes, der auch schmunzeln kann“ (Martin Schläpfer). „Ein kleines choreografisches Wunder“ – urteilte der Tanzkritiker Jochen Schmidt: "22 Minuten reinen Glücks“.

 

MUSIK

Tre Pezzi für Sopransaxophon von Giacinto Scelsi

15 Walzer für Violine und Gitarre arrangiert aus den 36 Originaltänzen op. 9 D 365 von Franz Schubert

 

Choreographie Martin Schläpfer

Kostüme Marie-Thérèse Jossen

 

PEZZO 1 Camille Andriot,Remus Sucheana,Anne Marchand,Nicole Morel,Alexandre Simões

PEZZO 2 Antoine Jully

PEZZO 3 Camille Andriot,Carolina Francisco Sorg,Remus Sucheana,Pontus Sundset

TÄNZE Yuko Kato,Jörg Weinöhl

 

***

 

Irreversibel (Uraufführung)

Teresa Rotemberg

Es sind kuriose Geschichten in einer äußert pointierten Bewegungssprache, mit denen die argentinische Choreographin Teresa Rotemberg ihr Publikum fasziniert – hintergründig zwischen Tanz und Theater oszillierend voller grotesker Komik, aber auch berührender Tragik, alltäglicher Absurditäten und mit einem ganz eigenen Temperament und Witz.

 

Seit 1999 leitet Teresa Rotemberg die Company Mafalda in Zürich. Ausgebildet am Teatro Colón ihrer Heimatstadt Buenos Aires sowie an der Ecole de Danse Classique in Monte Carlo, führten sie erste Engagements nach Ulm, Stuttgart und Gießen, zur Movers Dance Company Zürich sowie zum Tanztheater am Nationaltheater Weimar unter Ismael Ivo. Als Gastchoreographin arbeitete sie mit dem Cathy Sharp Ensemble Basel, dem Ballett Augsburg, dem Tanztheater Heidelberg/Freiburg, dem Berner Ballett, für die Budapester Wagner-Tage im Palast der Künste sowie in Zusammenarbeit mit dem Regisseur Matthias Hartmann am Opernhaus Zürich. Wichtige Festivals wie das Holland Dance Festival und das Schweizer Festival Steps präsentierten ihre Arbeiten. An den Städtischen Bühnen Münster ist sie regelmäßig als Schauspielregisseurin zu Gast.

 

Zu Klavierwerken von John Cage und Improvisationen von Herbert Henck über Cages Sonaten und Interludien entstehen in Teresa Rotembergs neuer Choreographie Abspaltungen: Aus einzelnen Elementen entwickelt sich eine ganze Kette von immer neuen Bewegungen, die Verbindung zum Ausgangspunkt zerbricht, der einmal beschrittene Weg kann nicht ungeschehen gemacht werden – Pfade in ein neues System, in eine neue Ordnung, aber auch in ein Chaos.

 

MUSIK

Sonata II, III, V und XIII für präpariertes Klavier von John Cage sowie Solo I, Duo I und Duo II aus den „Festeburger Fantasien“ für präpariertes Klavier von Herbert Henck

 

Choreographie Teresa Rotemberg

Bühne und Kostüme Benita Roth

 

***

Ramifications

Martin Schläpfer

Eine Tänzerin erschafft eine Architektur der Linien und Kurven, der Zwischenräume, der imaginären Räume. Ihr Körper wächst weit über seine eigentliche Größe hinaus, wirkt gestreckt, wie verlängert – und dann auch wieder ganz klein. In höchster technischer Anforderung, die sich für den Betrachter in eine paradoxe Leichtigkeit transformiert, erforscht Martin Schläpfer in seinem Solo „Ramifications“ auf György Ligetis gleichnamige, 1968/69 entstandene Komposition Bewegung und Raum zwischen gegensätzlichen Polen. Tänzerin und Musik suchen einander und brechen gegeneinander aus. Ihr Körper wirkt wie eine lebende Skulptur, aber nicht als Abbild von etwas Perfektem, Schönem, Klassischem, sondern eher wie eine Frage – der Ausdruck einer Sehnsucht nach anderen Zuständen, die auch den „Schlamm“ kennen.

 

MUSIK

„Ramifications“ von György Ligeti

 

Choreographie Martin Schläpfer

Kostüme Thomas Ziegler

 

***

 

Martin Schläpfer

Ein konzentriertes Licht streift nur vereinzelt Gegenstände. Ahnungen einer merkwürdigen Welt kommen auf: Vielleicht das Magazin eines Museums, überall aber auch seltsame Erinnerungen an einen Garten voller Blumen – Paradies und Schießbude zugleich. Absichtslos, wie zufällig entwickelt sich der Tanz aus immer neuen Dreierkonstellationen: Tänze, die immer neue Tänze hervorbringen, kurze Fragmente, die sich zu einem Ganzen zusammenzufügen beginnen, voller Unerbittlichkeit und Härte, aber auch emotionaler Kraft und Ehrlichkeit.

 

Mit dem 2007 uraufgeführten Ballett „3“ steht eine der wegweisendsten Choreographien Martin Schläpfers auf dem Spielplan des Balletts am Rhein. „Was ich suche, liegt nicht in der Mitte“, äußerte sich der Schweizer Choreograph über seine Arbeit, „ich suche nach einer neuen Intensität, nach einer choreographischen Sprache, die gleichzeitig Übung im Innen und Außen ist – emotional ganz tief innen und körperlich sehr außen, extrem. Aber nicht extrem akrobatisch, sondern extrem akademisch“. Musikalische Basis ist ihm dabei eine bei Paul Pavey in Auftrag gegebene Komposition für Stimme, Violoncello und Electronics – eine Partitur, die der britische Komponist und Performer stets live zur Aufführung bringt. Wie ein Archäologe horcht er dabei in seine Klänge hinein, um in ihrem Innenleben ungeahnte Reibungskräfte aufzuspüren, die sich zwischen einer gläsernen, quasi vereisten Hörlandschaft im Flageolett-Spiel des Violoncellos, weit ausholenden, melancholischen Gesangslinien, archaischen Naturlauten, entfesselter Folkloristik, swingenden Jazz-Anklängen und meditativem Fließen zu einer musikalischen Wirklichkeit verdichten, die zu einer wesentlichen Inspirationsquelle für den Tanz wird.

 

Das Magazin ballettanz nannte „3“ in seiner Kritikerumfrage mehrfach als „herausragende Choreographie“. Wiebke Hüster berichtete in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung über die Uraufführung: „Kaum ein Choreograph derzeit ist wie Martin Schläpfer imstande, so vielschichtige Werke schaffen – Tänze, die sich ernsthaft mit einer Musik auseinandersetzen, Tänze, die neues Bewegungsterrain erschließen, und Tänze, die schließlich noch die Phantasie lange über den Abend hinaus beschäftigen.“

 

MUSIK

Paul Pavey

 

Choreographie Martin Schläpfer

Bühne Thomas Ziegler

Kostüme Catherine Voeffray

Cello, Voice, Electronics Paul Pavey

 

 

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