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"Lakmé", Oper von Léo Delibes, Landestheater Linz

Premiere Sa, 18. Dezember 2010, 19.30 Uhr, Großes Haus

 

Die Oper Lakmé von Léo Delibes hatte ein eigenartiges Schicksal. Fast überall auf der Welt wurde sie mit Erfolg aufgeführt und galt bald als Klassiker. Sopranistinnen wie Mady Mesplé, Natalie Dessay und die kürzlich verstorbene Joan Sutherland waren die Lakmés ihrer Zeit.

Das „fast überall“ bezieht sich auf die deutschsprachigen Theater Mitteleuropas – hier war diese Oper bisher ein seltener Gast. Da spielte und spielt man gern Delibes, hielt sich jedoch allein an sein Ballett Coppélia. Freilich, auch in unseren Breiten hat sich eine Melodie der Lakmé ihren Weg vorbei an säumigen Theaterdirektoren und stracks in unsere Ohren gebahnt: nämlich das Blumenduett zwischen Lakmé und Mallika „Dôme epais“. Es ist für zahllose Werbespots zweckentfremdet worden und war auch im Kino immer wieder zu hören. Die einschmeichelnde, sich auf und ab schlängelnde, ganz den Zauber der menschlichen Stimme unterstreichende Musik des kleinen Duetts ist dabei keine Ausnahme in der Oper.

 

Die ganze Partitur des 1883 an der Pariser Opéra comique uraufgeführten Werks ist eine Gesangsoper im besten Sinne, denn der Gesang vor allem des Soprans (Lakmé) und des Tenors (Gérald) ist eine ununterbrochene Kette immer neuer, ausdrucksstarker Melodien vollendet klassischer Bauweise. Neben den bekannten und beliebten Ensemblemitgliedern Gotho Griesmeier und Pedro Velázquez Díaz werden diese äußerst anspruchsvollen Partien von Mari Moriya und Jacques le Roux gesungen, die sich beide mit Ausschnitten aus Lakmé dem Linzer Publikum im Eröffnungskonzert der Saison vorgestellt haben und bejubelt wurden.

 

Doch mit dem Stichwort Gesangsoper hat es hier nicht sein Bewenden. Jene Theaterleiter, die alten Vorurteilen gegen französische Musik (sie sei glatt, oberflächlich und konservativ) folgten und der zierlichen Inderin Pariser Provenienz keine Chance gaben, hatten Unrecht. Denn die elegante Schönheit der Partitur darf nicht über ihre weiteren Vorzüge hinwegtäuschen. Delibes hat wie viele Künstler die Sehnsucht seiner Zeitgenossen nach dem Unbekannten, nach fernen Welten und exotischer Erotik genutzt. Doch ähnlich wie etwa sein Kollege Puccini knapp zwanzig Jahre später nahm er die Menschen der fernen Weltgegenden durchaus ernst – was damals alles andere als üblich war.

 

Delibes und seine Librettisten schildern feinfühlig und präzise die Geschichte zweier junger Menschen, die sich Hals über Kopf ineinander verlieben. Der junge englische Soldat, der zur Kolonialmacht gehört, und die junge Inderin, die in ihrer Gemeinschaft fast einen göttlichen Status hat, werden von der Macht der ersten großen Lieben förmlich gegeneinander geschleudert. Aber die Kulturen, die sie geformt haben, verhindern, dass sie einander wirklich verstehen können.

 

Was das einstmals so Reizvolle des Exotischen betrifft: Anders als Delibes Zeitgenossen haben wir heute dank Ravi Shankar und „Bollywood“ sicherlich eine viel präzisere Vorstellung davon, wie Indien klingen kann. Delibes beschränkt sich demgegenüber noch auf ein recht allgemeines Bild musikalischer Ferne. Die Art und Weise, wie das Scheitern der Liebe einer Inderin und eines Engländers beschrieben wird, ist dagegen interessant und aktuell geblieben.

 

Der Komponist hat den Charakter jeder Melodie, jeden Motivs, jeder Begleitung mit seltener Genauigkeit auf die jeweilige Situation und die Empfindungen der Protagonisten abgestimmt, so dass man sich mit beiden Seiten – der indischen wie der englischen – noch heute identifizieren und ihre Beweggründe nachvollziehen kann.

 

Wer das Libretto liest, dem drängen sich zudem förmlich die Parallelen zu unserer Zeit auf. Sei es, dass man an die zahlreichen Konflikte in der Welt, sei es, dass man an die Missverständnisse denkt, die vor unserer Haustür die Verständigung zwischen Menschen unterschiedlicher Weltanschauung oder Herkunft erschweren. Die Regisseurin Aurelia Eggers (in der vergangenen Saison Hoffmanns Erzählungen und 2008 Ariadne auf Naxos) hat sich dazu entschieden, zusammen der Bühnenbildnerin Marina Hellmann und der Kostümbildnerin Veronika Lindner diese Aktualität von Lakmé fühlbar zu machen. Dass solch eine heutige Interpretation nicht auf indisches Flair verzichten muss, gehört dabei zum Konzept. Lakmé – in Europa 2010 nur in Linz!

 

In französischer Sprache mit deutschen Übertiteln

 

Musikalische Leitung Alexander Drčar

Inszenierung Aurelia Eggers

Bühnenbild Marina Hellmann

Kostüme Veronika Lindner

Dramaturgie Felix Losert

 

Besetzung

Lakmé Gotho Griesmeier/Mari Moriya

Mallika Elsa Giannoulidou

Gérald Pedro Velázquez Díaz/Jacques le Roux

Nilakantha Franz Binder/Seho Chang

Ellen Myung Joo Lee/Hyang Jung Kim

 

Rose Katrin Adel/Antoaneta Mineva

Mistress Bentson Karen Robertson/Cheryl Lichter

Frédéric Giulio Alvise Caselli

Hadji Csaba Grünfelder/Rusmir Redžić

 

(Unterstrichen = Premierenbesetzung)

 

Chor des Landestheaters

Statisterie des Landestheaters

Bruckner Orchester Linz

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

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