Trotzdem scheint der „Best Ager“ dem „Jungspund“ überlegen, zumindest dann, wenn man Gaetano Donizettis 1843 in Paris uraufgeführtes „dramma buffo“ Don Pasquale als Quelle in dem „machismo“-lastigen Generationenkonflikt heranzieht. Beginnt der Dreiakter doch damit, dass der vermögende alte Onkel (Don Pasquale) seinen mittellosen jungen Neffen (Ernesto) aus dem Hause wirft, weil dieser von seinen romantischen Heiratsplänen mit einer schönen, aber armen Witwe (Norina) partout nicht ablassen will … Dass diese Liaison erst durch das Ableben des „Best Agers“ finanziell sanktioniert würde, fordert geradezu eine erzieherische Maßnahme heraus: „arm, aber sexy“ ist out, „reich und sexy“ ist in: Nicht die Jugend wird sich fortpflanzen, sondern der betuchte, aber keineswegs erschlaffte Onkel …
Wenn Don Pasquale dafür nur die richtige Frau (an seiner Seite) fände, was bei der angemessenen Bezahlung des mit der Brautbeschaffung beauftragten „Dealers“ (Doktor Malatesta) doch wirklich kein Problem sein sollte … Nur zu dumm, dass das Geld einem „Doppelagenten“ zukommt, denn Malatesta
(nomen est omen!) jubelt Don Pasquale seine eigene Schwester nur deshalb als „zitterndzagendes
Klosterfräulein“ unter, damit sie nach dem fingierten (!) Treueschwur dem Alten die Ehe-Hölle so richtig einheizt. Das Ziel der Intrige: dass der „Best Ager“ das „Schmusen und Stöhnen“ den dafür lebenszeitlich schlichtweg besser ausgestatteten „Youngsters“ neidlos überlässt …
In den Zeiten von „Viagra“ und der „Krise“ (!) ist die Brisanz dieses sexuellen Generationenkonflikts aber nur noch eingeschränkt nachvollziehbar. Was Ernesto von Pasquale unterscheidet, ist weniger die Manneskraft, als der soziale Status. Der „Best Ager“ konnte sein goldiges Imperium nur im Rahmen eines zwar immer schon ausbeuterischen, aber darin noch intakten Finanzsystems horten, der Neffe gehört zu der verlorenen Generation südeuropäischer „Rettungsschirm-Staaten“, für die eine Existenz ohne „Stütze“ (sei sie staatlich oder privat) eine unerreichbare Utopie zu sein scheint. Verteilungsgerechtigkeit ist das Stichwort, um den Konflikt zwischen Don Pasquale und Ernesto auf den Punkt zu bringen, und Norina, Ernesto und Malatesta sind Teil jener Bewegung, die den 99% der Besitzlosen zum Sieg verhelfen will über das 1% der Geldsäcke. Wenn Norina als Don Pasquales Ehefrau dessen Vermögen verschleudert, ist dies somit kein Akt weiblicher Verschwendungssucht, sondern vielmehr die klassisch gewollte Umverteilung „von oben nach unten“ …
Dass Donizetti dabei über Brecht obsiegt, gewährleistet die Musik. Belcantistisch vereint sie Ausbeuter und Ausgebeutete, Junge und Alte und zelebriert im Strudel der Koloraturen ein lebenskluges „Happy End“, das abseits aller Börsenkurse nur Gewinner kennt. Don Pasquale gewinnt an Einsicht, Ernesto und Norina gewinnen zwei Ringe und Doktor Malatesta den „Oscar“ für das beste Drehbuch bzw. für die gelungenste Dramaturgie: „Weiße Haare soll’n nicht freien mit der Jugend Lockenkranz, sonst gibt’s böse Balgereien und mit allen Teufeln Tanz!“ – Was durchaus als gelungene Retourkutsche für Robert Poulets „Jugendschelte“ gelten darf …
Dramma buffo in drei Akten
Text von Giovanni Ruffini und Gaetano Donizetti,
nach dem Libretto von Angelo Anelli zu dem Dramma giocoso Ser Marcantonio von Stefano Pavesi
In italienischer Sprache mit deutschen Übertiteln
Musikalische Leitung Nicholas Milton, Daniel Linton-France
Inszenierung Andreas Baesler
Bühne Hermann Feuchter
Kostüme Caroline Dohmen
Chorleitung Georg Leopold
Dramaturgie Wolfgang Haendeler
Don Pasquale, ein alter Junggeselle Dominik Nekel
Franz Binder
Damon Nestor Ploumis
Doktor Malatesta, Arzt, sein Freund Seho Chang
Martin Achrainer
Ernesto, sein Neffe Iurie Ciobanu
Sven Hjörleifsson
Jacques le Roux
Norina, eine junge Witwe Elisabeth Breuer
Gotho Griesmeier
Myung Joo Lee
Ein Notar Nikolai Galkin
Johann Gruber
Chor des Landestheaters Linz
Statisterie des Landestheaters Linz
Bruckner Orchester Linz