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"Tartuffe" von Molière im Schauspielhaus Graz

PREMIERE am 7. Dezember 2017, 19.30 Uhr, HAUS EINS

Ein hochumstrittener Dauergast sorgt für verhärtete Fronten im Hause Orgon. Das Familienoberhaupt verehrt Monsieur Tartuffe als moralisches Vorbild; diese Ansicht hat er allerdings ziemlich exklusiv. Von seiner den guten alten Zeiten verpflichteten Mutter abgesehen, ist der Rest der Familie Orgons von der Frömmlernatur des Eindringlings zumindest genervt, die Zofe Dorine wittert gar Betrug.

Und tatsächlich: Bald offenbart der religiöse Eiferer allzu weltliche Gelüste nach Elmire, der Dame des Hauses. Im Clinch mit seiner Familie und erbost über die Verdächtigungen, beschließt der Vater, in die Offensive zu gehen. Er enterbt seinen Sohn Damis zugunsten Tartuffes und schickt sich an, seine Tochter Mariane mit seinem Gast, Idol und nun auch Erben zu verheiraten. Erst ein arrangiertes Tête-à-Tête zwischen Elmire und dem Prediger öffnet Orgon die Augen – zu diesem Zeitpunkt ist das Hab und Gut der Familie jedoch bereits dem Betrüger überschrieben …

Natürlich entblößt Jean-Baptiste Poquelin, alias Molière, wie in allen seinen bösen Komödien, auch in seinem 1664 uraufgeführten und zwischenzeitlich verbotenen „Tartuffe“, schonungslos die Deformationen menschlichen Daseins. Im konkreten Fall nimmt er sich neben der religiösen Frömmelei gleich auch noch die Verblendung der bürgerlichen Gesellschaft vor. In unserer säkularisierten Zeit, in der Konsum und ein pathologisch übersteigerter Individualismus die Religion ersetzen und das Leben jeglicher Spiritualität beraubt haben, erscheint die Suche Orgons nach einem Vorbild und Halt zumindest nicht als vollkommen abwegig. Und da jedes menschliche Verhältnis ohne Vertrauen unmöglich ist, ist auch er gezwungen, dieses Vertrauen zu verschenken und das Risiko auf sich zu nehmen, enttäuscht zu werden. Die emotionalen Schieflagen, die Orgon umgeben, dienen da noch als Brandbeschleuniger. Schon deshalb liest sich „Tartuffe“ wie ein Kommentar auf die Richtungslosigkeit und Überforderungen des modernen Menschen und die Gründe, warum Heilsversprechen, so plump sie auch vorgetragen werden mögen, so leicht verfangen.

Von Markus Bothe ist noch am 14. Dezember (zum letzten Mal!) das Familienstück „Struwwelpeter“ im Spielplan. Seine Inszenierung „Cyrano de Bergerac“ war im Juni und Juli 2017 als Freilichttheater auf der Schloßbergbühne Kasematten zu sehen.
 

  • REGIE Markus Bothe
  • BÜHNE UND KOSTÜME Alexandre Corazzola
  • MUSIK Biber Gullatz
  • LICHT Viktor Fellegi
  • DRAMATURGIE Jan Stephan Schmieding
     
  • TARTUFFE, FRÖMMLER Pascal Goffin
  • MME PERNELLE, MUTTER VON ORGON Franz Solar
  • ORGON, MANN VON ELMIRE Mathias Lodd
  • ELMIRE, FRAU VON ORGON Henriette Blumenau
  • DAMIS, SOHN VON ORGON Simon Käser
  • MARIANE, TOCHTER VON ORGON Maximiliane Haß
  • VALÈRE, GELIEBTER MARIANES Florian Stohr
  • CLÉANTE, BRUDER VON ELMIRE Thorsten Danner
  • DORINE, ZOFE Julia Gräfner
  • KOMMISSAR Benedikt Steiner
     

weitere Vorstellungen am 12., 13., 16. und 20. Dezember, jeweils 19.30 Uhr, am 31. Dezember um 16.00 Uhr, am 18. und 19. Jänner, HAUS EINS, sowie ab Februar
 

Das Bild zeigt Molière

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