Logo of theaterkompass.de
HomeBeiträge
„Falstaff“ von Giuseppe Verdi im Theater Pforzheim„Falstaff“ von Giuseppe Verdi im Theater Pforzheim„Falstaff“ von Giuseppe...

„Falstaff“ von Giuseppe Verdi im Theater Pforzheim

Premiere 20. November 2021 um 19.30 Uhr im Großen Haus mit Einführung um 19.10 Uhr im Foyer

Der unverschämte, gut beleibte, sich aber für unwiderstehlich haltende Sir John Falstaff ist knapp bei Kasse. Er braucht allerdings Geld, um weiterhin seine Rechnungen im Wirtshaus bezahlen und „La dolce vita“ frönen zu können. Da kommt er auf die Idee, die betuchten Ehefrauen Alice Ford und Meg Page um den Finger zu wickeln, um so an das Vermögen ihrer Männer zu gelangen.

 

Copyright: Sebastian Seibel

Doch er hat die Rechnung ohne die spaßige Frauengemeinschaft der Stadt Windsor gemacht, die beschließt, dem eingebildeten Ritter für seine Anmaßung eine Lektion zu erteilen. Dafür täuschen sie amouröses Interesse vor, schmeißen ihn aus einem Wäschekorb in die dreckige Themse und verkleiden sich, um Falstaff unter dem Schutz der Maskierung zu piesacken.

Ein Denkzettel an die männliche Überheblichkeit. --- Verhüllungen – damit verbinden wir Geheimnisse, Versteckspiele oder das bewusste Sichtbarmachen von etwas, das sich unter der Hülle befindet. Das berühmte Künstlerehepaar Christo und Jeanne-Claude verhüllte zum Beispiel 1995 in diesem Sinne den Berliner Reichstag, und erst jüngst wurde nach ihren Plänen posthum der Arc de Triomphe in Paris umhüllt. In „Die lustigen Weiber von Windsor“ von William Shakespeare sind es gerade diese Täuschungen, Versteckspiele und Ver- und Entkleidungen, die aus dem Stück eine unterhaltsame Komödie machen, die wiederum neben Szenen aus „Heinrich IV.“ Arrigo Boito und Giuseppe Verdi zu ihrer Oper „Falstaff“ anregten.

Boitos Libretto und Verdis Musik führen das Publikum lebhaft durch dieses bunte Durcheinander. Die berühmte Schlussfuge lässt das Stück zwar versöhnlich, aber auch mit offenen Fragen und dem Motto „Alles auf Erden ist Spaß, der Mensch ist als Narr geboren“ enden.

Nun wurde diese Oper im Laufe der Zeit seit ihrer Uraufführung 1893 in Mailand vielfach aufgeführt und neuinszeniert. Wenn wir an Falstaff denken, haben wir deshalb vermutlich bestimmte Bilder von dieser fettleibigen, trinkenden Ritterfigur im Kopf. Viele Lesarten und Rezeptionsweisen haben sich seit Shakespeare wie Hüllen über den Stoff gelegt. Und nicht erst in  Zeiten von „Me too“ kann und wird über das Verhalten der Männerfigur nachgedacht, die sich maßlos selbst überschätzt und Besitzansprüche erhebt.

Regisseur Thomas Münstermann und Ausstatter Thomas Mogendorf nähern sich dem Stück unter Einbezug genau dieser Thematik: „Wir wollen diese Strukturen einerseits sichtbar machen, sie andererseits offenlegen und zum naiv-komödiantischen Kern zurückführen, sie vom ,Meinungsmüll‘ befreien, ohne die Übergriffigkeiten komödiantisch zu verharmlosen.“

Dafür wird außerdem in Christo'scher Manier das Bühnenbildmodell des Shakespear'schen Globe Theatre eingehüllt, das bereits im Schauspielstück „Shakespeare in Love“ zu sehen war und zudem ab Mai 2022 in Brittens Oper „Ein Sommernachtstraum“ in neuer Gestalt als Bühnenbild dienen wird. Auch viele der Kostüme stehen in „Falstaff“ in Beziehung zu dieser Verhüllungsstruktur. Was sich unter den Hüllen alles verbirgt, ob diese oder doch die Enthüllungen den spielerisch-menschlichen Kern von „Falstaff“ ausmachen und inwiefern die Betrachtung von außen bei alldem eine Rolle spielt, verraten wir natürlich noch nicht. Freuen kann man sich auf Vielschichtigkeiten, Enthüllungen und vor allem den klugen Witz der Frauen von Windsor. Es gelten die jeweils aktuellen Corona-Regelungen.

„Falstaff“
Oper in drei Akten von Giuseppe Verdi
Libretto von Arrigo Boito nach der Komödie „Die lustigen Weiber von Windsor“ und Szenen aus „Heinrich IV.“ von William Shakespeare
In italienischer Sprache mit deutschen Übertiteln

Mit Polina Artsis, Santiago Bürgi, Jina Choi, Stamatia Gerothanasi, Paul Jadach, Rhys Jenkins, Dirk Konnerth, Elisandra Melián. Franziska Rabl, Aleksandar Stefanoski und Philipp Werner

Chor und Extrachor des Theaters Pforzheim
Badische Philharmonie Pforzheim

Musikalische Leitung Robin Davis
Inszenierung Thomas Münstermann
Bühnenbild und Kostüme Thomas Mogendorf

Weitere Vorstellungen am 26. November, 2., 7., 11., und 28. Dezember sowie an weiteren Terminen in dieser Spielzeit, jeweils mit Einführung 20 Minuten vor Vorstellungsbeginn im Foyer

Karten gibt es ab 17,70 € (erm. 8,90  €) an der Theaterkasse am Waisenhausplatz unter Tel. 0 72 31/39-24 40, im Kartenbüro in den Schmuckwelten und auf www.theater-pforzheim.de

 

Weitere Informationen zu diesem Beitrag

Lesezeit für diesen Artikel: 21 Minuten



Herausgeber des Beitrags:

Kritiken

DER NARR ALS REVOLUTIONÄR -- Verdis "Rigoletto" in der Staatsoper Stuttgart

Das Regieduo Jossi Wieler und Sergio Morabito hat "Rigoletto" hier als Narren und Revolutionär zugleich inszeniert. Er rebelliert gegen ein seiner Meinung nach ungerechtes System und stachelt den…

Von: ALEXANDER WALTHER

JAGENDE HORN-PASSAGEN -- Neue CD von Helmut Lachenmann "My Melodies" bei Naxos (BR Klassik - musica viva)

Ein kompositorischer Umgang mit dem Phänomen Melodie steht im Mittelpunkt der Komposition "My Melodies" für acht Hörner und Orchester des 1935 in Stuttgart geborenen Helmut Lachenmann. Unter der…

Von: ALEXANDER WALTHER

VOLLENDETER FORMALER AUFBAU -- Bachs Matthäus-Passion mit den Stuttgarter Hymnus-Chorknaben in der Stiftskirche STUTTGART

Für Karfreitag 1729 schrieb Johann Sebastian Bach seine "Matthäus-Passion" BWV 244 und arbeitete sie dann noch dreimal um. Der vollendet ausgewogene Aufbau dieses Meisterwerks kam in der Aufführung…

Von: ALEXANDER WALTHER

SCHONUNGSLOSE SELBSTERKENNTNIS --- John Gabriel Borkman im Schauspielhaus Stuttgart

Henrik Ibsen ist der Dramatiker der schuldhaft versäumten Selbstemanzipation. Er setzt sich schonungslos mit den Lebenslügen der Menschen auseinander. Seiner Devise "Dichten ist Gerichtstag halten…

Von: ALEXANDER WALTHER

DRAMATISCH GEBALLTER ABLAUF --- Verdi Operngala im Forum am Schlosspark Ludwigsburg

Vorwiegend Spätwerke Giuseppe Verdis standen bei dieser sehr gelungenen Operngala auf dem Programm. Die vorzüglich musizierende Württembergische Philharmonie Reutlingen unter der inspirierenden…

Von: ALEXANDER WALTHER

Alle Kritiken anzeigen

folgen Sie uns auf

Theaterkompass

Der Theaterkompass ist eine Plattform für aktuelle Neuigkeiten aus den Schauspiel-, Opern- & Tanztheaterwelten in Deutschland, Österreich und Schweiz.

Seit 2000 sorgen wir regelmäßig für News, Kritiken und theaterrelevante Beiträge.

Hintergrundbild der Seite
Top ↑