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Deutsches Theater Berlin: Gewinnertexte für Autor:innentheatertage 2022 stehen fest

Das Festival findet vom 8. bis 18. Juni zum 25. Mal statt.

aus 160 Einreichungen für den Stückewettbewerb für die Autor:innentheatertage 2022 hat die Jury drei Theaterstücke zu den Gewinnertexten gekürt, die im Rahmen des Festivals am Deutschen Theater Berlin uraufgeführt werden. Die Autor:innentheatertage 2022 sind zugleich ein Jubiläumsjahrgang.

 

Copyright: Deutsches Theater Berlin

Nach Dea Loher und Lukas Bärfuss in den vergangenen Festivaljahren hat Ferdinand Schmalz den Jury-Vorsitz für die kommende Festivalausgabe inne. Der Autor und Dramatiker hat alle Einsendungen gelesen und begutachtet und gemeinsam mit seinen beiden Co-Jurorinnen, der Musikerin und Theatermacherin Christiane Rösinger und der Schauspielerin Julischka Eichel in einem mehrstufigen Verfahren aus allen eingesandten Theatertexten die drei Gewinnerstücke ausgewählt.

Prämiert werden:

    Judith Shakespeare (Rape and Revenge) von Paula Thielecke

    Fischer Fritz von Raphaela Bardutzky

    Das Augenlid ist ein Muskel von Alexander Stutz


Eine spezielle Erwähnung geht darüber hinaus an:

    Wonderwomb von Amir Gudarzi

Gemeinsam mit den beiden Partnertheatern – dem Schauspielhaus Graz und dem Schauspiel Leipzig – bringt das Deutsche Theater Berlin die drei prämierten Stücke am 18. Juni 2022 im Rahmen einer Langen Nacht der Autor:innen zur Uraufführung. Das Schauspiel Leipzig erarbeitet die Uraufführung von Raphaela Bardutzky, das Schauspielhaus Graz widmet sich dem Text von Paula Thielecke und das Stück von Alexander Stutz wird am Deutschen Theater in Szene gesetzt. Die drei Preisträger:innen erhalten ein Uraufführungshonorar von jeweils 10.000 Euro.

Jurybegründung
Die Jury begründet ihre Auswahl wie folgt:

Raphaela Bardutzky, Fischer Fritz
Fischerei, Haar- und Altenpflege. Raphaela Bardutzky verwebt in ihrem Stück unterschiedliche Sprachwelten. Dabei wechselt dieser Text immer wieder zwischen Deutsch, Bayerisch und Polnisch. Der titelgebende Zungenbrecher wird hier zum Programm und doch schafft die Autorin es, diese Geschichte um eine polnische 24-Stunden-Pflegerin, die zu einem Fischer namens Fritz in die Bayerische Provinz zieht, um ihn zu pflegen, in ein feinmaschiges sprachliches Gewand zu kleiden, das von den Herausforderungen der Pflege, vom Generationenkonflikt und den prekären Arbeitssituationen in diesem Bereich spricht. In einprägsamen Bildern zieht sich eine Spannung durch dieses Stück, die sich immer wieder im scheinbar Unscheinbaren aufbaut.

Paula Thielecke, Judith Shakespeare – Rape and Revenge
Judith, die Schwester von ... ja genau, dem anderen Shakespeare, ist selbst Autorin und hat mit dem Ruhm ihres Bruders zu kämpfen. Und vor allem mit einer Branche, die von Gleichberechtigung noch immer Lichtjahre entfernt ist. Paula Thieleckes Text geht von einem Zitat Virginia Woolfs aus, wonach eine fiktive Schwester von William Shakespeare wohl an den Umständen ihrer Zeit verrückt geworden wäre. Aber da sind wir doch darüber hinweg, denkt man, wir leben ja nicht mehr im Viktorianischen Zeitalter, Emanzipation und MeToo hatten wir doch schon durch. Und doch ist es nach wie vor in der Kulturbranche so, dass es ein William ungemein leichter hätte als eine Judith. Dieser Text zeigt mit wissendem Humor, wo die kleinen Schnitte passieren, die eine verrückt werden lassen – und so versteht man die Wut, mit der diese junge Autorin gegen den Betrieb ankämpft.

Alexander Stutz, Das Augenlid ist ein Muskel
Wenn nach Jahren etwas zur Sprache kommt, dann geht es oft verschlungene Wege, so wie in dem Text von Alexander Stutz. Und obwohl der Körper seines Protagonisten ein Bewusstsein zu haben scheint von dem Trauma, das ihm in der Kindheit widerfahren ist, braucht die Sprache erst diesen Umweg, um das Geschehene artikulieren zu können. Aber wie auch, wenn das Schweigen eines ist, das einem von der Familie mitgegeben wurde? So beginnen die Augenlider zu sprechen, der Kloß im Hals und auch eine Matratze. Ein Schweigen, das glaubt, Dinge aus der Welt zu schaffen, indem man sie nicht benennt, kaschiert nur die Verletzungen, die sich nun mal nicht totschweigen lassen. Stutz' Text findet eine atemberaubend sprachliche Form für ein Thema, bei dem einem die Sprache immer wieder wegbleibt.

Über die drei prämierten Texte hinaus zeigen die Autor:innentheatertage 2022 ca. zehn weitere Uraufführungen als Gastspiel und erstmals in Berlin. Das Festivalprogramm und die Gesamtliste aller eingeladenen Autor:innen und Theater werden im Frühjahr 2022 bekanntgegeben.

Die Gewinnerautor:innen

Raphaela Bardutzky studierte Schauspieldramaturgie, Philosophie und Literaturwissenschaft an der Bayerischen Theaterakademie August Everding und der LMU München. Anschließend arbeitete sie als Script-Consultant und Lektorin im Arthouse Filmbereich. Gemeinsam mit Theresa Seraphin gründete sie 2016 das "Netzwerk der Münchner Theatertexter*innen". Ihr Stück Wüstling wurde 2017 mit dem Münchner Literaturstipendium ausgezeichnet. Ihr Drama Fischer Fritz erhielt 2021 Nominierungen für den Heidelberger Stückemarkt sowie den "Förderpreis für Neue Dramatik" an den Münchner Kammerspielen. Seit 2019 gehört Raphaela Bardutzky zum Kurator:innen-Team der LIX Lesereihe im Münchner Theater HochX. Sie gibt Workshops und unterrichtete von 2018 bis 2021 "Schreiben für Film und Theater" am Institut für Theaterwissenschaft der LMU München. Raphaela Bardutzky lebt in München.

Paula Thielecke, 1990 geboren in Berlin, ist Regisseurin, Dramatikerin, Schauspielerin, Performancekünstlerin, Moderatorin und Aktivistin. Ihre Jugend verbrachte sie bei P14, dem Jugendtheater der Volksbühne am Rosa-Luxemburg-Platz und dem Jungen Deutschen Theater Berlin. An der Akademie für Darstellende Kunst Baden-Württemberg schloss sie 2015 ihr Studium ab. Als Gründungsmitglied von KOLLEKTIV EINS schreibt und inszeniert sie seit 2012 zahlreiche Arbeiten. Eigene Inszenierungen, Gastengagements und Performances realisiert sie seit 2015 im deutschsprachigen Theaterraum. Für Film- und Fernsehproduktionen ist sie regelmäßig als Spielerin zu sehen. Als Sprecherin ist sie in diversen Produktionen für Deutschlandfunk Kultur zu hören. Seit 2017 ist sie außerdem als Gast-Dozentin für Schauspiel und Kraft an der Hochschule für Musik und Theater Rostock tätig. Ihr Text Judith Shakespeare – Rape and Revenge wurde 2021 für den Retzhofer Dramapreis nominiert und ist 2022 einer der drei Gewinnertexte der Autor:innentheatertage des Deutschen Theaters Berlin.

Alexander Stutz, Jahrgang 1992, wuchs in einem kleinen Dorf in der Nähe von Zürich auf. Er absolvierte eine Ausbildung als Gestalter. Dann zog es ihn nach Deutschland, wo er im freien Theater Tempus fugit arbeitete. Nebenher leitet und inszeniert er bis dato bei verschiedensten Amateur-Theatervereinen in der Umgebung von Zürich. 2019 beendete er an der Zürcher Hochschule der Künste den Bachelor of Arts in Theater, Praxisfeld Regie. Zurzeit erweitert und schärft er seine künstlerische Position im Master of Arts an der Zürcher Hochschule der Künste, ebenfalls im Praxisfeld Regie. Vor und während seines Regie-Studiums bewegte sich Alexander Stutz mit verschiedensten Kompliz:innen in der Freien Szene. So waren sie unter anderem mit let’s talk about money, honey am spontan Festival in Zürich und am 100 grad Festival in Berlin, oder im Theater Stadelhofen am Gipfel der Frechheit mit Naomi., oder mit intim, öffentlich! am Wildwuchs Festival in Basel vertreten. 2020/2021 ist er einer von vier Teilnehmer:innen des DRAMENPROZESSORS, einer Plattform für Autor:innenförderung, welche das Theater Winkelwiese initiierte. Dabei entstand sein Debütstück Das Augenlid ist ein Muskel. In der Spielzeit 2021/2022 ist Alexander Stutz im Rahmen des Förderprogramms für Neue Schweizer Dramatik "Stück Labor" als Hausautor am Theater St.Gallen engagiert.

Infos Autor:innentheatertage 2022

 

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