Logo of theaterkompass.de
HomeBeiträge
Staatstheater Cottbus: Ralph Benatzkys Operette IM WEISSEN RÖSSLStaatstheater Cottbus: Ralph Benatzkys Operette IM WEISSEN RÖSSLStaatstheater Cottbus: ...

Staatstheater Cottbus: Ralph Benatzkys Operette IM WEISSEN RÖSSL

Premiere: Samstag, 25. Januar 2020, 19.30 Uhr, Großes Haus

Regisseur Kay Link und der musikalische Leiter Johannes Zurl legen der Cottbuser Inszenierung „Im weißen Rössl“ die rekonstruierte Fassung der Uraufführung von 1930 zugrunde. Sie ist erheblich wilder und bunter als die aus den 50er-Jahren überkommene, die ein doch eher harmlos-biederes Bild dieser Operette zeichnet.

Die Urfassung lässt nachvollziehen, weshalb der innovative Show-Unternehmer Erik Charell mitten in der Weltwirtschaftskrise mit dem „Weißen Rössl“ jeden Abend die über 3000 Plätze des Berliner Großen Schauspielhauses füllen konnte: Die schrille, synkopierte, aufpeitschende Tanzmusik der Roaring Twenties trifft auf ironisch gebrochene Folklore. Als „Revue-Operette“ konzipiert, ist die Urfassung dichter am Musical als an der traditionellen Operette. Die Inszenierung versetzt das Geschehen in die Gegenwart, ohne „modernisieren“ und „heutig“ werden zu müssen.

Was 1930 das Telegramm war, ist heute die E-Mail, doch die Handlung selbst erweist sich als hochaktuell. Und für die Rolle des Kaisers hat das Inszenierungsteam eine verblüffende Lösung gefunden, die den Anachronismus des Jahres 1930 aufhebt: Den Zuschauern auf und vor der Bühne präsentiert sich ein leibhaftiger „Kaiser“.

Selbstbewusst sich emanzipierende moderne Frauen zeigen sich zahlreichen Facetten von „Männlichkeit“ gewachsen: der Berliner Schnauze eines kantig-grantigen Unternehmers, der Redekunst eines geschmeidigen Rechtsanwalts, den Ausführungen eines naturbegeistert-verschrobenen Gelehrten und – last not least – dem schönen Sigismund, einem unbegrenzt von sich selbst berauschten Narzissten. Erotik in vielerlei Facetten bestimmt das Geschehen, „romantische Liebe“ spielt dabei keine Rolle.

Wie schon das zugrundeliegende Schauspiel – 1897 ebenfalls in Berlin uraufgeführt – wirft die Revue-Operette einen ironischen Blick auf Träume vom „naturverbundenen“ Leben, wie sie dem Wunsch der Großstädter entspringen, und den seinerzeit bereits vorhandenen Massentourismus. Das Alpenidyll wird für die Besucher eigens inszeniert. Eine Brechung, die in der Nachkriegsfassung völlig eliminiert und in ihr Gegenteil verkehrt wurde: Nunmehr bedienten Heimatfilm-Klischees ebenjene Zuschauer-Sehnsüchte, die das Ur-„Rössl“ doch eigentlich auf die Schippe nahm.

Kay Link und Ausstatter Bernhard Niechotz spitzen die Situation noch zu: Bis in die Schlusstakte der Operette hinein ist das Hotel „Im weißen Rössl“ eine Baustelle, auf der eifrig geschuftet wird, um den Glanz der Heimat mit den Ansprüchen des modernen Reisenden in Einklang zu bringen. „Rössl“-Wirtin Josepha Vogelhuber und ihre Angestellten haben alle Hände voll zu tun, um die Gäste bei Laune und Geldausgabe-Freude zu halten. Das geht bis hin zum Schaumelken von Hand, das stilecht gekleidete Melkerinnen geneigten Besuchern täglich für wenige Minuten zeigen, ehe die Gäste zur nächsten Attraktion geführt und die Melkmaschinen angeschlossen werden.

Singspiel in drei Akten (frei nach dem Lustspiel von Blumenthal und Kadelburg) von Hans Müller und Erik Charell
Musik von Ralph Benatzky | Texte der Gesänge von Robert Gilbert
Vier musikalische Einlagen von Bruno Granichstaedten, Robert Gilbert und Robert
Stolz | Bühnenpraktische Rekonstruktion der Originalfassung von Matthias Grimminger und Henning Hagedorn unter Mitarbeit von Winfried Fechner

Musikalische Leitung: Johannes Zurl
Regie: Kay Link
Bühne: Bernhard Niechotz
Kostüme: Nicole Lorenz
Choreinstudierung: Christian Möbius
Choreografie: Julia Grunwald
Einstudierung Kinder- und Jugendchor: Norienne Olberg

Josepha Vogelhuber     
Gesine Forberger
Leopold Brandmeyer     
Heiko Walter
Christian Henneberg
Wilhelm Giesecke     Heiko Stang
Ottilie     
Debra Stanley
Dr. Otto Siedler     
Hardy Brachmann
Sigismund Sülzheimer     Thorsten Coers
Professor Hinzelmann     Matthias Bleidorn
Klärchen     
Mirjam Miesterfeldt
Kaiser Franz Joseph II.     Max Ruda
Piccolo     Fabian Patrice Loeschke, Marco Wende
Kathi     Sandra Bösel
   

Damen und Herren des Opernchores     
Mitglieder des Kinder- und Jugendchores     
Tänzerinnen und Tänzer (Gäste)     
Damen und Herren der Statisterie     
   

Es spielt das Philharmonische Orchester.

Die nächsten Vorstellungen „Im weißen Rössl“:
So 26.1., 19 Uhr; Di 28.1., 19.30 Uhr; Mi 29.1., 19.30 Uhr; Fr 31.1., 19.30 Uhr; Sa 1.2., 19.30 Uhr

Das Bild zeigt  Ralph Benatzky

Weitere Informationen zu diesem Beitrag

Lesezeit für diesen Artikel: 19 Minuten



Herausgeber des Beitrags:

Kritiken

WALZER IN ALLEN SCHATTIERUNGEN -- Monrepos Open Air bei den Schlossfestspielen LUDWIGSBURG

Unter dem Motto "Turned up" eröffnete das Orchester des Goethe-Gymnasiums Ludwigsburg unter der inspirierenden Leitung von Benedikt Vennefrohne diesen besonderen Abend mit der Konzertsuite aus…

Von: ALEXANDER WALTHER

STÜRMISCHE GLUT -- SWR Symphonieorchester unter Markus Poschner in der Liederhalle STUTTGART

Goethes "Egmont" inspirierte Ludwig van Beethoven im Jahre 1810 zu einer Schauspielmusik, die in keiner ihrer verschiedenartigen Nummern erkennen lässt, dass es sich dabei um ein Auftragswerk…

Von: ALEXANDER WALTHER

REIZVOLLE SPRÜNGE -- Arabella Steinbacher im Ordenssaal bei den Ludwigsburger Schlossfestspielen

Stimmungsvolle Werke hatte sich die Geigerin Arabella Steinbacher zusammen mit dem Pianisten Peter von Wienhardt ausgewählt. Im Arrangement von Jascha Heifetz erklangen zunächst vier leidenschaftlich…

Von: ALEXANDER WALTHER

PRÄZISE STRUKTUREN -- Neue CD: Schostakowitschs Präludien & Fugen op. 87 bei Pentatone/ Wer sie in S

Wer sie in Stuttgart mit Prokofieffs drittem Klavierkonzert erlebt hat, wird sie nicht vergessen. Die Rede ist von der russischen Pianistin Yulianna Avdeeva, die die Präludien und Fugen von Dmitri…

Von: ALEXANDER WALTHER

RITTERLICHER HUMOR -- Das Stuttgarter Ballett zeigt "Don Quijote" im Opernhaus STUTTGART

In diesem Ballett von Maximiliano Guerra nach Miguel de Cervantes kämpft ein junges Paar um seine Liebe. Gleichzeitig begegnen wir Don Quijote als Träumer mit einem unglaublichen Durchhaltevermögen.…

Von: ALEXANDER WALTHER

Alle Kritiken anzeigen

folgen Sie uns auf

Theaterkompass

Der Theaterkompass ist eine Plattform für aktuelle Neuigkeiten aus den Schauspiel-, Opern- & Tanztheaterwelten in Deutschland, Österreich und Schweiz.

Seit 2000 sorgen wir regelmäßig für News, Kritiken und theaterrelevante Beiträge.

Hintergrundbild der Seite
Top ↑
StartseiteBeiträgeKritikenHintergründeTheatermacherServiceFachbegriffeSuche